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Ursula Schmied, Glamour

Iran: Inhaftierten Frauen droht jetzt ein Genozid – das musst du darüber wissen

Tausende Frauen wurden in Iran verhaftet und ohne Prozess in die Gefängnisse gesteckt. Jetzt drohen ihnen die schlimmsten Strafen, die man sich vorstellen kann: Vergewaltigung, Zwangsehen und Todesstrafe. Wir erklären, was du jetzt über den drohenden Genozid an Frauen wissen musst

[Getty Images]

Trigger-Warnung: Im folgenden Artikel geht es um Vergewaltigungen und die Todesstrafe in Iran.


Iran plant die Massenermordung von Frauen

Es ging los mit einem Hidschāb, der in den Augen des islamischen Regimes in Iran nicht genug Haar bedeckte. Es ging los mit dem Mord an Mahsa Amini, Trägerin des Hidschāb, die nach kurzem Polizeigewahrsam auf unerklärliche Weise verstarb. Das ist am 16. September 2022 passiert und seitdem gehen in Iran die Frauen, die Menschen, trotz drohender Inhaftierungen, Folter und fast sicherer Prügel, auf die Straße: Sie demonstrieren für Freiheit, für Gleichberechtigung, für Mahsa Amini – und gegen das Regime der Islamischen Republik Iran, deren Gesetze anhand der Scharia gesprochen werden und die Frauen und andersdenkende Minderheiten unterdrückt. Anders als bei früheren Protesten in dem Land mit 84 Millionen Einwohner:innen ist, dass die Demonstrationen und Proteste im Herbst 2022 das ganze Land überziehen: Das Volk ist unruhig, möchte einen gesellschaftlichen und politischen Wandel und lässt sich in 140 Städten, aus denen Demonstrationen gemeldet wurden, nicht einschüchtern – aber jetzt schlägt das Mullah-Regime mit voller Härte zurück.


Iran: Das ist der Status Quo in den Gefängnissen des Landes

Am 3. November 2022 berichtete der US-amerikanische Nachrichtensender CNN von bis zu 14.000 inhaftieren Demonstrant:innen, die im Rahmen der Proteste im Herbst 2022 festgenommen wurden. Die Zahl dürfte in den Tagen seitdem weiter angestiegen sein. Die Menschen werden ohne Prozess, ohne Anklage oder Verteidigung in die Gefängnisse gesteckt. In der Woche des 7. November 2022 hat Gholamhossein Mohseni Ejei, Oberster Richter der Republik Iran, verkündet, dass die Strippenzieher hinter den Demonstrationen und Protesten schnellstmöglich identifiziert und verurteilt werden sollten, damit sie anderen als Abschreckung dienen. Er verkündete, dass die Protestanten-Anführer:innen wegen “moharebeh” (Feindseligkeit gegen Gott), “esfad fil-arz” (Verdorbenheit auf der Welt) und “baghy” (bewaffnete Rebellion) angeklagt werden würden.Alle diese “Verbrechen” stehen laut Scharia unter Todesstrafe. Aber was bedeutet das jetzt für die mindestens 14.000 Insass:innen in iranischen Gefängnissen?

Am 14. November 2022 wurde laut dem britischen Rundfunk BBCdas erste Todesurteil nach diesen Anklagen gesprochen: Die iranische Regierung gab weder Namen noch Geschlecht bekannt, verurteilte eine Person jedoch wegen Feindseligkeit gegen Gott. Der:die Angeklagte hatte ein Regierungsgebäude in Brand gesteckt und damit in den Augen des Regimes Gott beleidigt. Fünf bis zehn weitere Angeklagte wurden wegen Gefährdung der Sicherheit und der Öffentlichkeit zu bis zu zehn Jahren Haft verurteilt. Dass in iranischen Gefängnissen gefoltert wird, ist kein Geheimnis. Dass manche Menschen, die zu einer Haftstrafe verurteilt wurden, ein Gefängnis nicht wieder lebendig verlassen, ist in Iran leider auch keine Seltenheit.


Menschenrechtsorganisationen befürchten jetzt, dass Iran an den inhaftierten Personen Exempel statuieren will und mit Massenverurteilungen versucht, die Demonstrierenden in Schach zu halten. Ob diese Rechnung aufgehen wird? Unklar. Denn noch nie seit der Machtergreifung der Mullahs im Jahr 1979 war das Land so flächendeckend, über alle Gesellschaftsschichten und einen so langen Zeitraum, in Aufruhr.


Allerdings gibt es eine Gesellschaftsgruppe, die dieses Mal von den Protesten in Iran schwerwiegender betroffen ist als jemals zuvor: Frauen. Frauen haben die Rebellion in den Augen der herrschenden Mullahs angezettelt, Frauen wurden massenweise inhaftiert – und Frauen sollen jetzt die schlimmsten Strafen bekommen.


Iran: Diese Strafen drohen inhaftierten Frauen jetzt

Frauen haben in Iran den Hidschāb abgenommen, ihn vielleicht sogar öffentlich verbrannt – eine “Feindseligkeit gegen Gott”, wenn man der Scharia glaubt. Dass darauf in Iran die Todesstrafe steht, wissen die bereits inhaftierten und immer noch demonstrierenden Frauen. Allerdings ist es in Iran verboten, Mädchen, die noch Jungfrauen sind, zu ermorden. Laut Menschenrechtsorganisationen und Aktivist:innen plant das Regime jetzt massenhafte Zwangsehen von Gefängniswärtern und -insassinnen, damit die Mädchen in dieser “Hochzeitsnacht” ihre Jungfräulichkeit verlieren und am Tag darauf, weil es dann ja laut Scharia erlaubt ist, zum Tode verurteilt und hingerichtet werden können.

Diese Praxis ist nicht neu: Ein Mitglied der systemtreuen Basiji-Miliz, der Sittenpolizei, berichtete der israelischen Zeitung The Jerusalem Post bereits im Jahr 2009 von diesem Vorgehen der Mullahs: “Als ich 18 Jahre alt war, wurde mir die ‘Ehre’ zuteil, junge Mädchen zu heiraten, bevor sie hingerichtet wurden. Ich bereue das, auch wenn die Ehen vor dem Gesetz legal waren. Ich konnte fühlen, dass die Mädchen mehr Angst vor der Hochzeitsnacht als vor dem sicheren Tod am nächsten Morgen hatten”, wird er zitiert.

Dass Vergewaltigungen von Frauen in Kriegsgebieten 2022 immer noch an der Tagesordnung stehen, ist kein Geheimnis. Dass sich ein Regime sich dafür auch noch Zwangsehen ausdenkt, um selbst vor dem Gesetz oder Gott gut dazustehen, ist unfassbar. Das iranische Regime plant also, mit seinen eigenen Mitteln und Wegen, die innerhalb der Scharia nicht strafbar sind, tausende Frauen, eine ganze Bevölkerungsgruppe auszulöschen.

Das ist laut der Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes der Vereinten Nationen vom 9. Dezember 1948 Genozid. Genozid oder Völkermord definiert sich folgendermaßen: Völkermord ist “eine der folgenden Handlungen, begangen in der Absicht, eine nationale, ethnische oder religiöse Gruppe (im aktuellen Fall wären Frauen die ‘Gruppe’, Anm. d. Red.) als solche ganz oder teilweise zu zerstören: das Töten eines Angehörigen der Gruppe, das Zufügen von schweren körperlichen oder seelischen Schäden bei Angehörigen der Gruppe, die absichtliche Unterwerfung unter Lebensbedingungen, die auf die völlige oder teilweise physische Zerstörung der Gruppe abzielen.” So nachzulesen in §6 Völkerstrafgesetzbuch der Bundesrepublik Deutschland.)


Inzwischen kann man bezüglich der Demonstrationen in Iran eine einfache Gleichung aufstellen: Freiheit und Frauen oder das Regime. Denn nach der Instandsetzung dieser Strafen ist jeglicher Boden für eine gemeinsame, konstruktive Zukunft dem Erdboden gleichgemacht.


Proteste in Iran: Was du jetzt tun kannst

Die Proteste in Iran und die Demonstrationen für Frauenrechte und Freiheit gehen uns alle an.

  • Es ist also unsere Pflicht, dass wir uns hier – in einer freien und demokratischen Welt – informieren ohne ins Doomscrolling zu verfallen.

  • Wer aktiv werden möchte, kann sich auf den Seiten von Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International, Terre des Femmes oder dem Center for Human Rights in Iraninformieren. Diese Organisationen informieren auch über relevante Petitionen

  • Bei euch findet eine Demo für die Frauen in Iran statt? Schnapp dir deine besten Freund:innen, geht hin und hört aufmerksam zu, was die Menschen dort zu erzählen haben.

  • Folge auf Social Media Frauen und Organisationen, die sich mit den Gegebenheiten in Iran auskennen – und die nicht leise sind: Natalie Amiri, Duzen Tekkal, Middle East Mattersund Masih Alinejad sind nur vier Accounts, denen du unbedingt folgen solltest.

Die Frauen und Menschen in Iran gehen für Menschenrechte auf die Straße. Es liegt an uns, ihnen zuzuhören, sie ernstzunehmen und so gut es geht, zu unterstützen.

 

(c) 2022, Glamour

https://www.glamour.de/artikel/iran-frauen-genozid









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